"Jedes Kind kann schlafen lernen": Schreien lassen zum Einschlafen?
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nachdem ich schon häufig in den Fragen gestöbert habe, möchte ich heute mal mein Problem schildern: Unsere knapp 6,5 Monate alte Tochter hat seit ca. 3-4 Wochen massive Einschlafprobleme. Die Probleme bestehen einerseits darin, dass sie nicht mehr alleine einschläft (nur noch mit Schnuller, mittags im Kinderwagen, abends auf dem Arm, mit Händchenhalten...) und dass sie tagsüber so gut wie gar nicht mehr schläft. Ich fahre dann immer um die gleiche Zeit mit ihr im Kinderwagen raus, dann schläft sie ca. 30-45 Minuten. Eventuell schläft sie nachmittags gegen fünf noch einmal. Wir bringen sie gegen 19 Uhr spätestens ins Bett. Meist schläft sie auch erstmal ein (nach dem Stillen auf meinem Arm) wacht dann aber schnell wieder auf. Oder sie schläft gar nicht ein und wir hadern jedes Mal damit, sie wieder rauszunehmen oder nicht. Sobald man sie rausnimmt, hört sie auf zu schreien. Jetzt meine Frage: besteht die Chance, dass es sich um ein vorübergehendes Verhalten handelt und dass sie bald wieder allein in ihrem Bett einschläft was früher immer super geklappt hat? Oder ist es jetzt schon erlerntes Verhalten? Ich halte ehrlich gesagt nichts von "Jedes Kind kann schlafen lernen". Trotzdem frage ich mich, muss ich sie leiden (=schreien) lassen oder braucht sie einfach Zeit? Momentan sind wir echt am Ende mit unserem Latein, da sich die Schlafsituation extrem verschlechtert hat. Früher ist sie allein in ihrem Bett eingeschlafen, ist natürlich auch zwischendurch aufgewacht, hat sich aber schnell wieder beruhigen lassen. Momentan kann man sie abends gar nicht allein in ihrem Bett lassen weil sie wie am Spieß (hört sich sehr wütend an) schreit , dann holen wir sie meistens doch wieder raus, legen sie in den Stubenwagen und später dann zu uns ins Bett, was ich sehr unzufriedenstellend finde, da ich so gar keine Zeit mehr "in Ruhe" habe, geschweige denn wir beide als Paar.
Ich hoffe sie können mir eine Antwort jenseits von "Jedes Kind kann schlafen lernen" geben und mir Mut machen, dass es Hoffnung gibt.
Vielen Dank im Voraus!
Frage vom 06.12.2009
Als Eltern sind wir immer sehr irritiert, wenn sich der Schlaf unserer Kinder zum Anstrengenden hin ändert. Der „gute“ Schlaf ist aber keine Konstante, sondern der Schlaf gibt Zeichen von Entwicklung, Unruhe und Anspannung. Alleine einschlafen zu müssen bedeutet eine Trennung und damit immer wieder eine kleine Zumutung. Sie schreiben sehr schön, wie Sie jedesmal hadern, direkt am Bettchen, was Sie denn jetzt tun sollen. Alle „guten oder auch nur gutgemeinten Ratschläge“ kreisen im Kopf, denn Sie wollen ja nichts falsch machen, aber hören Sie lieber auf Ihr Herz.
Das Schlafen und auch Durchschlafen unserer Kinder ist keiner elterlichen Erziehungskompetenz zuzuschreiben, sondern ein Entwicklungsprozess des Gehirns. Ich persönlich halte deshalb auch überhaupt nichts von dem erwähnten Buch, denn damit werden Säuglinge dressiert und nicht auf Augenhöhe mit ihnen kommuniziert. Wenn Ihr Kind gerade schlechter schläft, hat sie sicher einen Entwicklungssprung hinter oder gerade vor sich. Säuglinge in dem Alter können sich besonders wütend äussern, zeigen deutlich ihre Bedürfnisse, Körperkontakt ist unerlässlich, vielleicht fremdelt sie auch schon. Insbesondere dann brauchen sie vollstes Vertrauen in den „sicheren Hafen“von Mama und Papa, um damit zurecht zu kommen. Ich empfehle Ihnen also eine liebevolle Begleitung, viel Tragen und Körperkontakt während des Tages, Rituale und einfach Geduld, denn es bleibt sicher nicht so. Toll, wenn Sie noch stillen, denn viel Frust und Traurigkeit werden auch an der Brust weg-gestillt, es ist weit mehr als nur die Nahrung. Um die Ruhe für sich und auch als Paar zu ermöglichen, ist es zu Beginn immer praktikabler gemeinsame, ungestörte Zeiten auf den Tag zu verlegen. Ein aufgebautes sicheres Netzwerk der Betreuung für Ihr Kind verhilft zu mehr Freiraum.
Ihnen alles Gute und glänzende Kinderaugen am Heiligabend,
Inken Hesse, Hebamme
Antwort vom 08.12.2009